Städtekonkurrenz per Ansichtskarte:
"Krie die Kränk, Offebach! Die Stan binne se an, die Hunde losse se laafe." (übersetzt: "Verdammtes Offenbach! Die Steine binden sie an, die Hunde lassen sie laufen.") – soll ein Frankfurter Bürg
er ausgerufen haben, als er im Winter das nahegelegene Offenbach aufgesucht hatte, auf Glatteis ausrutschte und dazu auch noch von Hunden angegriffen wurde. Steinwürfe zu seiner Verteidigung waren ihm nicht möglich, da diese festgefroren waren. Eine Bosheit der Offenbacher?
Ob die auf der 1905 gelaufenen Ansichtskarte dargestellte Szene (die geschickt Karikatur mit realer Ansicht kombiniert) auf ein tatsächlich stattgefundenes Ereignis zurückzuführen ist, sei dahingestellt. Sie zeigt aber drastisch im südhessischen Dialekt das seit Jahrhunderten gespannte Verhältnis der beiden benachbarten hessischen Städte.
Historische Wurzeln hat der Konflikt bereits im 14. Jahrhundert, als in Offenbach am Mainufer eine Wasserburg erbaut wurde, was den Frankfurtern nicht behagte. Von ihr aus forderte im 30-jährigen Krieg der Schwedenkönig Gustav Adolf Frankfurt zur Übergabe auf. Verhandlungen darüber lehnte er strikt ab. So musste sich Frankfurt, und das ausgerechnet in Offenbach, unterwerfen und eine schwedische Besatzung ertragen. So etwas wirkt lange nach!
Frankfurt am Main, die ehemals Freie Reichsstadt, als Messestadt reich und weltoffen, mit selbstbewusstem Bürgertum - und benachbart die kleine, aufstrebende Stadt Offenbach, die sich u.a. durch die Ansiedlung französischer Hugenotten langsam zu einer Industriestadt entwickelte: Das sahen viele Frankfurter kritisch.
Während die Offenbacher oft mit der Straßenbahn Linie 16 (vgl. die Kartenabbildung) z.B. zum Einkaufen nach Frankfurt fuhren, "verirrte" sich selten mal ein Frankfurter ins ungeliebte Offenbach.
Einen vorgeschobenen Grund zeigt die Karte aus der Zeit um 1900.
Diese Konkurrenzsituation hat sich bis in die Gegenwart erhalten, was sich z.B. im Verhältnis der jeweils tonangebenden Fußballvereine (Eintracht Frankfurt versus Kickers Offenbach), misslungenen Eingemeindungsversuchen seitens Frankfurts und der abwertenden Interpretation des Kfz.-Kennzeichens OF ("Ohne Führerschein") äußert.
Heute verbindet die dargestellte Straßenbahnlinie auch nicht mehr beide Innenstädte – sie fährt von Frankfurt aus nur noch bis zur Stadtgrenze. Das ist aber wohl eher eine Folge des Ausbaus der S-Bahnen zu Lasten der Straßenbahnen im Rhein-Main-Gebiet.
In der hier dargestellten "Frankfurter Straße" in Offenbach zeigt seit 1998 eine beweglich aufgebaute bronzene Figurengruppe des Bildhauers Bonifacius Stirnberg die auf der Ansichtskarte dargestellte Szene.
So verbinden sich Geschichte mit Gegenwart, Legende mit Kunst.
...
weiterlesen